News 2022

--- 18. Oktober 2022 ---

 

KURT RYDL

zum

Zustand der OPER

 

 

 

Kurt Rydl

zur

aktuellen Situation

an den

Opernhäusern

 

 

Nachfolgend transferiert

in eine autorisierte

Schriftversion:

 

  Die Wiener Staatsoper hat ein Direktoren-Problem:

Ich bin nicht glücklich,

wenn Direktoren einfach nur Manager sind.

Sie sollten aus dem Fach kommen.

Und die österreichische Politik

sollte sich hinterfragen,

ob sie gut beraten ist,

wenn sie Leute aus dem Wirtschafssektor zum Direktor eines Opernhauses bestellt,

die eigentlich nicht die Fähigkeit haben, ein Opernhaus

vom Format der Wiener Staatsoper

zu leiten.

 

Das geht über viele, viele Jahre schon schief.

Man sollte sich großer Dirigenten bedienen,

man sollte sich großer Sänger bedienen,

die wirklich über das Metier Bescheid wissen

und die Nöte und die Leidenschaften kennen,

die dort die wesentlichste Rolle spielen.

Das wäre eine ganz wichtige Geschichte.

 

 

 

 

 

 

Was gibt es zur aktuellen Eskalation des Streites zwischen

Operndirektor Roscic

und dem

Generalmusikdirektor Jordan

zu sagen?

 

Ich möchte hier niemanden anklagen.

Ich kenne Philippe Jordan sehr lange. Ich kenne ihn noch, als er noch als Junge bei seinem Vater korrepitiert hat.

Das war Rosenkavalier 1993 in Paris.

 

Es herrscht eine unelegante Lösung momentan.

Ich bin sehr unglücklich darüber,

dass der Direktor und der Generalmusikdirektor

keine gemeinsame Linie finden

und eigentlich jetzt etwas ungeklärt im Raum steht:

 

Der eine sagt, es ginge um die Wiener Philharmoniker,

der andere verkündet,

es habe mit den Inszenierungen zu tun.

 

Jordans Kritik an den Inszenierungen

unterschreibe ich absolut.

Zudem weiß ich,

was für ein

wunderbarer Dirigent

Philippe Jordan

sein kann.

 

Für die zwei ist es nicht leicht derzeit.

Es sollte alles amical gelöst werden.

Es soll hier keine Politik im Vordergrund stehen.

 

Ich wünsche dem Operndirektor Roscic wirklich alles Gute.

 

Er soll dieses Haus führen, aber er soll es menschlich führen.

Er soll es führen wie ein Laroche.

Das ist die Figur eines voller Leidenschaft steckenden Theatermachers aus der Richard-Strauss-Oper „Capriccio“.

 

Der Operndirektor

soll die Sänger zu sich holen

und mit ihnen reden.

Das ist eines der wesentlichen Dinge,

die man zu tun hat.

 

 

Ein Operndirektor muss

Kontakt haben mit den Sängern.

Er muss sie nehmen und quasi sagen:

„Ihr seid’s mein Kapital, und mit Euch muss ich,

darf ich,

will ich Oper machen.“

 

Er darf sie nicht wie Schachfiguren behandeln und einfach

hin- und herschieben.

Das geht gar nicht!

 

 

 

 


Braucht die

Wiener Staatsoper

einen

musikalischen Leiter?

 

 

Absolut.

Es braucht eine musikalische Hand.

 

Allerdings

habe ich Schlimmes erlebt in meiner Karriere:

 

Manchmal kommen Generalmusikdirektoren,

die eigentlich nur schnell ein Repertoire absolvieren

und die restliche Zeit

mit internationalen Orchestern

auf Tournee gehen,

um kräftig Geld zu verdienen.

Das geht nicht.

 

 

Die Wiener Staatsoper

braucht einen Generalmusikdirektor,

der hier präsent ist,

der die Königsstücke, wie man so schön sagt,

ich nenne da

„Don Giovanni“,

„Figaros Hochzeit“,

und natürlich

Wagners Ring,

aber auch das große,

italienische Repertoire

mit Stücken wie

„Simone Boccanegra“,

„Don Carlos“,

die Puccini-Opern,

natürlich auch

„Tristan und Isolde“

gut erarbeitet.

 

So ein Generalmusikdirektor

kann nicht sagen,

ich mache zwei oder vielleicht sogar nur eine große Premiere

und die restliche Zeit bin ich weg,

um viel Geld zu verdienen.

Das geht nicht!

 

Ich gönne jedem Geld. Ich habe auch Geld verdient,

ich habe es gemacht aus Besessenheit und aus Freude am Singen.

Ich habe allerdings auch meine Abende an der Wiener Staatsoper gesungen

– das sind über die Jahre

ja fast 1.200 geworden.

 

Also so ein Generalmusikdirektor

muss stetig am Haus sein.

 

Das ist natürlich ein Problem,

wenn man, wie jetzt,

kein Repertoire-Haus mehr ist,

sondern ein so genanntes

Stagione-Haus,

das leider nur eine sehr begrenzte Zahl

unterschiedlicher Werke zeigt.

 

Das Haus bringt dann eine ganze Serie von nur einem Werk,

wo der Generalmusikdirektor selbst nicht dirigiert.

Dann sind lange Zeit nur Gastdirigenten am Haus.

 

So hat der Generalmusikdirektor kaum Zugriff aufs Orchester.

 

Auch das Ensemble kann er nicht ausreichend kennen lernen –

und schon gar nicht prägen und fördern.

 

So blutet alles aus,

bleibt ungeführt –

ohne Linie.

 

Dann hebt sich die Staatsoper

auch nicht mehr positiv

von anderen Opernhäusern ab,

sondern wird beliebig,

verliert an Wert.

 

Es muss wieder ein

Repertoire-Theater her

für die Wiener Staatsoper.

 

Das Haus braucht mindestens

zehn verschiedene Opern

im Monat.

 

Dann wird die

Wiener Staatsoper

auch wieder blühen.

 

Nur so holt man sich auf Dauer das Publikum.

Aber das schafft man nicht,

wenn man fünfmal im Monat eine Ballett-Szenerie und nur zwei verschiedene Opern spielt,

die man vielleicht zehnmal im Monat wiederholt.

Das geht nicht.

 

 

 

 

Welche alten Inszenierungen sollen bleiben?

Was braucht es Neues?

 

Was erwiesenermaßen

traditionell wirklich gut funktioniert hat,

was man vielleicht wieder beleben kann,

sind große Inszenierungen von

Jean-Pierre-Ponnelle,

dann die große Sachen von

Götz Friedrich,

auch von der genialen

Margarete Wallmann,

mit der ich vor vielen Jahren einen „Rosenkavalier“ machen durfte,

unbedingt die Inszenierungen von

Otto Schenk.

Dessen „Fidelio“ würde ich nicht hergeben,

seinen „Rosenkavalier“ würde ich auch nicht hergeben.

Das ist wunderbares Repertoire.

 

 

In dem Zusammenhang

möchte ich den ehemaligen Operndirektor

Eberhard Wächter,

der übrigens zuvor Sänger war, zitieren.

Der sagte nämlich zu Beginn seiner Direktorenzeit:

 

Mein Gott, jetzt soll ich anfangen mit fünf oder sechs Premieren?

Nein! Ich mache die besten Wiederaufnahmen,

die ich haben kann.

So sparen wir zunächst Geld –

und im kommenden Jahr haben wir die Finanzmittel beisammen,

um einen kompletten Ring zu machen.

 

 

Und was hat der Direktor

Lorin Maazel,

der wiederum von Haus aus ein genialer Dirigent war,

gemacht?

 

Lorin Maazel hat

zu Beginn seiner Direktionszeit gesagt:

 

Okay, ich kenne mich nicht sehr gut aus. Ich komme neu in das Haus. Ich mache meinen ersten Ring konzertant.

 

Das war das erste Mal,

dass Maazel einen ganzen Ring konzertant machte.

Die Leute waren begeistert und haben gefragt:

Was brauche ich eigentlich eine Bühne?

Das war so phantastisch!“.

 

 

 

Also man kann wahnsinnig viel machen.

Man braucht sicht nicht diesem selbst gemachten Zwang zu unterwerfen,

das Genre Oper jetzt neu zu bürsten oder so.

Man kann auffrischen!

 

Man muss sich die Dinge anschauen.

 

 

Aktuell frage ich:

Wo ist das Repertoire?

Wo ist eine „Verkaufte Braut“ heute?

Ein wesentliches Stück der Opernliteratur.

Herrlich zu spielen, wunderbare Melodien.

Eine „Verkaufte Braut“ gehört nach Wien!

 

Da gibt es unzählige Stücke,

die viel öfter kommen müssten!

Das wäre viel wichtiger, als dieses ewige „Neu“.

 

Okay, da ist jetzt

ein Mahler-Abend in der

Wiener Staatsoper gewesen.

Das kann sehr interessant sein.

Aber das ist eine Randsache.

Die bringt man nebenbei.

 

Aber da kann ich jetzt nicht plötzlich sagen:

Das ist mein Repertoire.

Damit hole ich mir nicht die Leute hinein.

 

 

 

Zur Frage der Inszenierung

möchte ich sagen:

 

Welchen Sinn hat es, eine „La Bohème“ in den Untergrund spielen?

 

Ein Werk mit den schönsten

und wunderbarsten Melodien.

 

Es muss nicht im Punk-Milieu stattfinden.

Dazu passt die Musik nicht.

 

Was ist denn die große Mitteilung?

Was muss ich denn politisch werden in einer „La Bohème“?

Was ist eine „La Bohème“?

Verliebte Menschen, eine stirbt – große Tragödie. Das ist es!

 

Das Publikum muss flennen,

wenn es herausgeht.

Aber nicht sich aufregen und sagen:

Hast Du das Bühnenbild gesehen?

Hast Du gesehen, wie die mit den grünen Haaren

herumgegangen ist?

Das kann doch nicht der Sinn eines teuren Opernabends sein.

 

 

Deswegen bin ich ja nicht altmodisch,

denn man muss natürlich nicht unbedingt die Kleidung aus der Entstehungszeit der Oper auf die Bühne bringen.

Allerdings muss man zeigen,

was zu der Musik und dem Stück passt.

Mein Credo:

Mach es modern – ja,

aber mit Geschmack!

 

Ewige Skeptiker rufen mir vielleicht zu:

Geschmack?

Um Gotte willen: Geschmack wird gleich geschmäcklerisch!?

Wird gleich „billig“ und so weiter!?

 

 

Das ist der Skandal:

Kaum wird etwas erträglich

oder so gebracht,

dass man sagt:

„Das war schön!“,

findet sich ein Nörgler,

der sagt:

„Ah – das ist zu wenig! Es muss aufregend sein.“

 

Diese Nörgler sind aber nur eine Minderheit.

Und wenn man denen gerecht werden wollte,

müsste man es in den Grund und Boden inszenieren,

bis man das eigentliche Werk

nicht mehr erkennt.

Dann sagen die:

„Uih – das ist wichtig!“

 

 

Ich möchte wissen,

wer in den Louvre zur Mona Lisa geht

und ihr einen Bart malt.

Das möchte ich wissen.

Wer macht das?

 

Warum darf die Mona Lisa so bleiben,

und warum muss die Oper

gegen den Kamm gebürstet werden?

Warum?

Warum muss das sein?

Das finde ich eine Katastrophe!

 

 

Man muss nicht übermalen.

Es gibt gewisse Dinge,

die lasse ich,

weil sie das Stück ausmachen.

 

Aber ich kann zum Beispiel etwas mit dem Licht machen.

Ich kann moderne Bühnentechniken nutzen.

So kann ich bei der Umsetzung einer Oper unglaublich moderne Sachen machen.

 

Aber dazu braucht man Leute,

die Klasse haben und

die Vertrauen in das Stück haben.

 

Nicht das Stück vergewaltigen!

 

 

Christine Mielitz zum Beispiel

ist eine wirklich hervorragende Regisseurin.

Aber muss ich einen Parsifal am Pissoir beginnen,

wie es ursprünglich hier geplant war?

 

Am Beginn des „Parsifal“

weckt der Gurnemanz

seine Gralsritter und sagt:

Heyho, Waldhüter Ihr. Schlafhüter mitsammen!

Das ist, was er sagt.

 

Wieso zeigt die Inszenierung

dann jetzt,

dass die Gralsritter gerade verschwitzt vom Fechten kommen

und sich die Hände waschen?

 

Warum?

Es passt nicht!

 

Macht man das nur,

weil man unbedingt etwas ganz Neues bringen muss?

 

Ist es denn so eine geniale Idee,

dass die sich nach dem Fechten da gerade die Hände waschen?

Ich weiß es nicht.

 

 

Ich muss es nicht im Wald spielen.

Ich kann auch irgendwie den Wald andeuten.

Er sagt halt „Waldhüter Ihr“ –

 

Aber wozu haben wir den Text?

 

Oder sollen bald die Leute

die Melodie am Kamm blasen

und keinen Text machen?

 

Doch solange der Text vorgetragen wird,

sehe ich keinen vernünftigen Sinn,

wenn man es nicht wenigstens annähernd

dem Stück entsprechend umsetzt,

sondern ins völlig Unkenntliche bringt.

 

 

 

 

 

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